06 Mrz Assessment für KMU – Existenzsicherung durch optimale Personalauswahl
Ein Beitrag von Beatrice Erb, www.bpluse.ch
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass KMU bei der Frage «Assessment oder Interview» oft das Argument der Kosten ins Feld führen. Doch in welcher Relation steht das Investment und was macht eigentlich ein Assessment für den Auftraggeber mehrwertig? Betrachten wir diesen Mehrwert doch einmal unter folgenden vier Aspekten.
Vom Top zum Flop
Unabhängig von der Grösse bestimmen gut qualifizierte, fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Erfolg einer Unternehmung massgeblich mit. Im Unterschied zu Grossunternehmen haben Fehlbesetzungen bei kleineren und mittleren Unternehmen jedoch weitaus gravierendere Folgen. Hier nämlich können Kapazitäten und Kompetenzen nicht so einfach aufgebaut oder kompensiert werden. Dadurch wird eine Fehlbesetzung schnell zur existenzielle Herausforderung. Es ist daher geradezu absurd, wenn Entscheidungsträger meinen, professionelle Unterstützung in der Personalauswahl mittels Assessment für ein KMU mache keinen Sinn. (Laut «Unternehmer online» waren 2014 rund 30 % der Neuanstellungen ein Flop.)
Unternehmensspezifisches Verhalten sichtbar machen
Basierend auf der Grundidee des Assessment Centers, geht es im Assessment um das «Zeigen lassen», das Vorführen von Kompetenzen und Potenzialen(1). Das ist der grosse Gegensatz zum Interview, bei dem es um das «Erzählen lassen» geht. Ein Assessment ist also ein Beurteilungsverfahren, in dem durch die Beobachtung der Leistung und des Verhaltens der Teilnehmer in Simulationen, Rollenspielen, Tests und Fallstudien Rückschlüsse auf Kompetenzen, Persönlichkeitseigenschaften und Potenziale gezogen werden(2). Gerade bei Eigenschaften wie beispielsweise «Führungsverhalten» und «Persönlichkeit» zeigen erst Simulationen und geeignete Diagnostik, ob das Verhalten zur Firmenkultur passt oder nicht. Diese Aspekte erfahren leider immer noch zu wenig Beachtung, sodass oft gilt: «Kandidaten werden wegen ihrer Fachkompetenz eingestellt und wegen ihrer Persönlichkeit entlassen».
Konkrete Lösungen für reale Probleme
Assessoren fragen ihre Kandidaten nicht nach Zeugnissen und Abschlüssen, sondern fordern sie stattdessen auf, ihre Fähigkeiten beim Lösen eines konkreten Problems unter Beweis zu stellen. Konkrete, auf das Unternehmen und sein Umfeld zugeschnittene Aufgaben sind Bestandteil eines qualitativ guten Assessments. Nur dann können Bewerberinnen und Bewerber zeigen, was sie wirklich draufhaben. Das führt manches Mal zu durchaus überraschenden Ergebnissen und bringt Klarheit für die Entscheidung. Gerade (Klein-)Unternehmen brauchen keine Vorzeige-CVs sondern suchen kreative Lösungen für real vorhandene, unternehmensspezifische Situationen. Diese abzubilden gehört zu einem massgeschneiderten Assessment-Konzept.
Feedback als zentrales Instrument für eine Win-Win Situation
Mit einem differenzierten Assessmentbericht erhält der Entscheidungsträger wichtige Hinweise für einen gelingenden Einarbeitungsprozess und erfolgreiche Zusammenarbeit. Vorgesetzte können mittels dieser Ergebnisse eine zentrale und unterstützende Rolle in der Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeiter einnehmen. Aber auch für die Kandidaten selber kann das Assessment einen wichtigen Mehrwert erbringen. Menschen, die aus einem Assessment wichtige Hinweise für ihre persönliche Weiterentwicklung erhalten, suchen im Arbeitsumfeld vermehrt Feedback und werden langfristig karrieretechnisch erfolgreicher.3 Das Assessment ist daher nicht «nur» Selektionsinstrument, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Personalentwicklung und zur Mitarbeiterbindung.
Bitte nur massgeschneidert
Diese Argumente zeigen, dass gerade das KMU-Umfeld wesentliche Entscheidungshinweise von einem Assessment erwarten darf. Einige Voraussetzungen sind jedoch zu beachten: Unternehmensspezifische Aspekte müssen berücksichtig und Diagnoseinstrumente passend zur Zielposition ausgewählt werden. Assessmentkonzepte sind nicht auf andere Auftraggeber übertragbar. Wenn Assessments eingesetzt werden, dann bitte nur massgeschneidert. Das gilt speziell im KMU-Umfeld.
Literatur:
1 2 Paschen M., Beenen A., Turck D., Stöwe Ch., 2013, Assessment Center professionell 3. überarbeitete Auflage, Seite 17, Hogrefe, Göttingen.
3 Blog zum Artikel von Dimotakis, N., Mitchell, D., & Maurer, T. (2017, July 27). Positive and Negative Assessment Center Feedback in Relation to Development Self-Efficacy, Feedback Seeking, and Promotion. Journal of Applied Psychology. Advance online publication.
Mehr dazu auch im Buchbeitrag von Beatrice Erb, Ende März 2014 erschienen in dem Buch «Erfolgsfaktor Mensch – Personalführung und Umgang mit Veränderung», herausgegeben von hr4hr, dem Expertinnen- und Expertennetz für HR-Themen im KMU. Mehr Informationen auf www.hr4hr.ch.
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