06 Jul Zuckerbrot oder Peitsche?
Ein Beitrag von Peter Wyss, PWP Peter Wyss & Partner GmbH, www.pwpartner.ch
Wie treibt man die Leute nach dem Homeoffice wieder zurück ins Büro? Mit Zuckerbrot oder mit Peitsche?
«Und dass wir uns nicht falsch verstehen: ich möchte Sie hier im Büro haben, damit Sie ungestört arbeiten können – und nicht weil ich Sie kontrollieren will…»
In ihrem Artikel vom 31.5.22 schreibt die NZZ über die Tech-Firmen im Silicon Valley: «Nach zwei Jahren Pandemie weigern sich viele Tech-Angestellte, ins Büro zurückzukehren. Mit Pop-Stars, Gratisessen und Geschenken versuchen die Konzerne, ihre Mitarbeitenden zurückzulocken.»
Die Mitarbeitenden wollen also auch nach dem Wegfall der Corona-Massnahmen im Homeoffice bleiben, und nun locken Google, Microsoft und Co. mit Zuckerbrot.
Elon Musk auf der anderen Seite greift zur Peitsche: «Jeder bei Tesla muss mindestens 40 Stunden pro Woche im Büro verbringen», schreibt Musk in einer E-Mail an die ganze Belegschaft. (NZZ vom 2.6.22)
Da haben wir nun die zwei Strategien, die Hundehalter und Reiterinnen bestens kennen:
- Die Peitsche: Tarif durchgeben und Strafe bei Nichteinhaltung (Tesla)
- Das Zuckerbrot: Locken mit Goodies (Google, Microsoft u.a.)
Nun stellt sich die zentrale Frage: arbeiten bei Tesla Pferde und bei Google Hunde? Oder wirken diese Strategien auch bei Menschen? Ja, sie wirken! Und zwar seit der Einführung der Hierarchie vor 40’000 Jahren. Und mittlerweile haben wir uns so sehr an ein Leben in Abhängigkeit gewöhnt, dass wir den Traum von echter Freiheit gar nicht mehr zu träumen wagen. Solange das Hundeguetzli schmeckt, stört uns nicht, dass wir an der Leine geführt werden. Dabei sind Systeme von Strafe und Belohnung eine Mangelerscheinung: sie weisen hin auf einen Mangel an Vertrauen und Identifikation, an einer motivierenden Unternehmenskultur.
Dieser kurze NZZ-Bericht führt uns die Oberflächlichkeit des Businesstheaters vor Augen, welches den Lebensstil unserer «entwickelten» westlichen Kultur widerspiegelt, wo so vieles ausgerichtet ist auf den schönen Schein, die Äusserlichkeit. Die ganze Werbeindustrie baut ihre fundamentlosen Häuser auf diesem sandigen Boden – und es funktioniert! Wir springen darauf an, auch auf die Silicon-Valley-Brüste. Die Verpackung zählt mehr als der Inhalt. In unserer Unbewusstheit sind wir hochgradig manipulierbar.
Dabei ist es eigentlich ganz simpel: wenn ich im Gespräch mit meinem Chef Gegenwind bekomme, also einem Geist der Kontrolle, Kritik und Bevormundung begegne, dann verschanze ich mich im Homeoffice. Wenn mich im Büro hingegen Ermunterung, Freundschaft und Unterstützung, also Rückenwind, erwarten, dann bin ich schnell zur Stelle. Und wenn ich dazu noch auf Augenhöhe mit Menschen aus meinem Team coole Projekte auf kreative Weise bewegen kann – ohne dass sie nachher von einem Chef gekippt werden -, dann brauche ich weder Gratisbier noch Popkonzerte am Arbeitsplatz.
Übrigens hat eine flexible Handhabung von Homeoffice a priori nichts mit einer hierarchiefreien Denkhaltung zu tun: es kann sehr wohl eine kosmetische Massnahme an der Oberfläche sein, hinter welcher sich ein streng autoritäres Mindset verbirgt, so wie bei zahlreichen Unternehmen im Silicon Valley, die sich zwar einen liberalen Anstrich geben, aber im Grunde autoritär geführt werden. Homeoffice ist kein verlässlicher Indikator für eine Firma des neuen Paradigmas – echte Mitbestimmung, Mitarbeitendenbeteiligung und Selbstorganisation hingegen schon.
Und wie könnte denn ein menschengerechter Weg aussehen?
Dieser Weg hat nichts mit oberflächlichen Massnahmen zu tun. Es ist der Weg einer echten Transformation zu einer Kultur der Augenhöhe, des Vertrauens und der Selbstorganisation. Es ist der Königsweg, um Menschen nachhaltig zu befreien, zu energetisieren und unternehmerisch denken und handeln zu lassen. In meinem Buch «Hierarchiefrei ist besser! Mit FLOW-Kultur zum Management auf Augenhöhe» beschreibe ich dieses menschengerechte Mindset und die dazugehörigen, konkreten Methoden im Detail – inklusive 14 Beispiele von Unternehmen, die erfolgreich im neuen Paradigma der Selbstorganisation arbeiten.
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Bildquellen:
www.pexels.com (Titelbild)
„Hierarchiefrei ist besser!“ von Peter Wyss